Wieder einmal hatte der Augsburger Poetry Slam ein volles Haus. Dichtgedrängt lauschte das Publikum den Poeten, die aus Heidelberg (Karsten Hohage, auch als Grohacke bekannt), München (Grög!) und Wetzlar (Almuth Nitsch von Kerry) angereist kamen. Ein weiteres Highlight war natürlich der Singer/Songwriter Tex. Letzterer hatte noch im Vorfeld für mich eine spannende Aufregung bedeutet: Tatsächlich musste er erst einmal zur Notaufnahme, weil sein vereiterter rechter Mittelfinger eine Behandlung brauchte. Doch trotz dicker Bandagierung stand einer hervorragender Performance nichts im Wege.
Den Abend eröffnete Christiane Freitag mit einem augsburgerisch geprägtem Gedicht, bei dem ein Kassenbon, der Plus-Markt am Königsplatz und eine Flasche Martini eine besondere Rolle spielte: „vorne eine Frau mit Kartoffeln und Kind / schreit nach Liebe“. Ihr folgte Thomas Laschyk, der an diesem Abend sein einjähriges Slambühnenjubiläum feiern konnte. Er war in den letztjährigen abc Schülerworkshops mit dabei gewesen und ist erfreulicherweise dem Slammen treu geblieben. In „Ein wenig gegenteilig“ stellte er die Gegensätze zusammen, bei dem „lange auf Kurzweiliges gewartet“ wurde, „in Immobilien was bewegt werden“ sollte. Er schloss mit „Fuck Anglizismen!“ seinen Vortrag.
Ein neoliberales Märchen stellte Grög! vor. Das Ziel: Die Jugend nicht einzulullen, sondern dieser die Wahrheit über die gesellschaftlichen Verhältnisse zu erzählen und sie auszubilden für die marktwirtschaftliche Realität. So wurde aus „Hänsel und Gretel“ eine böse Geschichte, bei der sich die Eltern auf deren „Kernkompetenz als kinderloses Ehepaar“ konzentrieren konnten und der freie Markt schließlich doch den Jungmanagern Hänsel und Gretel hilft, sich gegen die Herausforderungen im Kampf gegen die böse Hexe durchzusetzen. Ihm folgte Almuth Nitsch von Kerry mit einem Abschiedsbrief von einem 56jährigen Fleischfachverkäufer kurz vor dem Untergang der Welt. Böse portraitierte sie diesen als fleischessenden Nazi – und gewann damit das Herz das Publikum, das sie ins Finale klatschte.
Der zweite Block wurde von Elli Tsoures eröffnet: „Der schlimmste Tag in meinem Leben“. Nach einer schlechten Nacht aufzuwachen und festzustellen, dass es doch noch schlimmer werden kann, ist wirklich kein Spaß. Aber sich dann auch noch so fest in einen Typen zu verknallen, das man dessen Rückmeldung „Psychopath“ aus seinem Mund sogar noch sympathisch findet, ist dann doch krass. Ihr folgte Albrecht Bertholdson (besser bekannt unter seinem normalen nom de guerre Lasse Samström). Er veranstaltet ja gerade im Rahmen des Modular Festivals des Stadtjugendrings Augsburg Schülerworkshops – und Elli ist sogar aktuell eine Schülerin von ihm. Albrecht startete seine Schüttelprosa mit „Schwyrik ist ler“. Er stellte sich die Frage: „Was geht vor in den Hichterdirnen?“ In seinem zweiten Text arbeitete er die verschiedenen Gruppierungen in Deutschland und deren speziellen Verbotsregelungen durch und kam zum Schluss: „Es ist nicht erlaubt dem Schwaben / sich an Heroin zu laben!“
Karsten Hohage war jetzt insgesamt viermal in Augsburg – und auch beim vierten mal konnte er mit seinem Vortrag das Publikum begeistern. Er las zuerst eine Lyrik „Irgendwo zwischen Entfaltung und Verpflichtung sitzt irgendwo – das Glück“. Dann folgt eine bitterböse Geschichte „Du willst“ – wo irgendwie alles gar nicht so klappt. Ihm folgte Nero Kinski mit einem Gedicht „Entsage der Musik – nicht“. „Haste schon gesehen? / Haste schon gehört?“ Schönes Stakkato, schnell und heftig. Klasse! Trotzdem setzte sich Karsten durch und zog mit Almuth ins Finale ein.
Nach den fulminanten Vorrunden folgte nun das große Stechen der beiden Finalisten. Almuth Nitsch von Kerry las mit „Mein Name ist Anna und ich bin sieben Jahre alt“ eine düstere Geschichte eines kleinen Kindes vor. Alleingelassen muss es herausfinden, was passiert „wenn man den Goldfisch mit Spüli füttert: er schwimmt nicht mehr“. Karsten Hohage antworte mit „Fitze Fitze Fatze / Der Papa hat ’ne Glatze“: ein superfieses Kinderlied. Ein Kind, das zum Jugendlichen heranwächst, wenig Chancen hat, diese nicht nutzt und immer tiefer abstürzt. Der Ausblick ist düster und endet bestimmt noch nicht nur im Knast.
Die Abstimmung der Publikumsjury war superspannend – und letztendlich dann doch eindeutig: Karsten Hohage gewann den Preis als Slammer des Monats Februar 2009 – ein Büchergutschein von Bücher Pustet. Der Preis für den besten lokalen Slammer, gestiftet von Künstlerbedarf boesner (Schreibkladde mit Stift) ging an Albrecht Bertoldson. Gratulation!
3 Responses
[…] seinem Auftritt begann das Battle seiner Schüler des Modular-Workshops. Elli Tsoures machte den Anfang und las “Du bist ein Arschloch”. Bös und lustig wie immer. Sie […]
Da hat mich meine Mitschreibe im Stich gelassen.
Ist korrigiert! Danke!
Fitze Fitze Fatze
Der Papa hat ’ne Glatze