“Wir leben im hybriden Zeitalter”, so Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter und Direktor der Linzer Ars Elektronica. Kulturen überlagern sich, Grenzen brechen zusammen – egal ob geografisch, künstlerisch, technisch oder psychologisch. Das hybride Zeitalter ist geprägt vom “Sowohl als auch”. Ein Beispiel stellt die Musik dar – das Sampling, das Mixen von Versatzstücken (zum Beispiel westlicher und orientalisch/asiatischer Musik bei “Buddhabar” oder anderen DJ-Platten) als Wahrnehmung verschiedener Optionen, die in einer zunehmend globalisierten Welt existieren. Hybridität findet sich heutzutage überall: in der Technologie (sei es im Auto oder beim Handy), in der Politik und Wirtschaft, in der verschiedene Systeme zugleich wirksam sind, in der Medizin, in der mechanisch/elektrische Bestandteile unseren Körper ergänzen und auch natürlich in der Kunst, die alle vorher genannten Dinge auf ihre Weise widerspiegelt und verdeutlicht.
Globalisierung als Wegbereiter
“Mit der Globalisierung kommt die Implosion, in der alle Kulturen aufeinanderprallen und sich die Zeitzonen überlagern. In dieser Implosion integrieren sich die Dinge oder sie zerbrechen”, sagt Derrick de Kerckhove, Direktor des Marshall McLuhan Program in Culture & Technology, Assistent, Übersetzer und Co-Autor von Marshall McLuhan (”The medium ist the message.”), Autor diverser Bücher (The Skin of Culture, Brainframes: Technology, Mind and Business und The Architecture of Intelligence) sowie Regierungsberater. Er ist der Kurator der zur Ars Electronica standardmäßig dazugehörenden Konferenz, die in vier verschiedenen Themeneinheiten das Phänomen der Hybridisierung zu greifen versucht. In Drivers and Patterns of Hybridity soll zunächst das Thema selber umrissen werden – und der Mensch als das hybride Wesen, das hin und her gerissen zwischen Körper und Geist, erfasst werden. Was bedeutet es, dass sich Menschen heute zunächst “googlen”, bevor sie sich persönlich kennenlernen? Dass wir wie eine Schleimspur Kreditkartennummern, online besuchte Webadressen und auf Überwachungskameras festgehaltenen realen Plätze, Voicemail und Emailspuren digital hinter uns herziehen? Diese Frage möchte die Vortragsreihe Hybrid Identities innerhalb der Konferenz nachgehen. Die weiteren Schwerpunkte sind Hybrid Cultures and Politics und Hybrid Ecologies.
Eröffnungsparty – wenig hybrid, aber stark!
Gestern wurde nun also in Linz die Ars Electronica 2005 eröffnet – und sie dauert noch bis zum 6.9. an. In der Montagehalle für Züge der ÖBB am Linzer Hauptbahnhof wurde in einer fulminanten Eröffnungsparty zumindest die Theorie des Samplings, des Mischens, des Verquickens von unterschiedlichsten Kunstarten zur Praxis. Schon der Raum alleine war ein „Sowohl als auch“-Erlebnis – also doch irgendwie hybrid: an dicken Stahlseilen hingen Lokomotiven von der Decke und ließen den eigentlichen Nutzen der Party-Halle als sehr konkreten Arbeitsplatz noch ahnen. Videoprojektionen vermischten Live-Aufnahmen und Vorabaufgenommenes, digitale Welten und echte Kinderbilder, Arbeitswelt und Technotanz.
In der Musik-Internet-Performance „Emotional Traffic“ der französischen Künstler Maurice Benayoun und Jean-Baptiste Barriére lasen die Künstler automatisch und in Echtzeit aus Internetforen Stimmungslagen (happy, alone, funny, angry, …) aus und spiegelten diese zum einen auf garfischen Landkarten und bewegten Globen – nahmen sie zum anderen auch als Basis für ihre musikalische Partitur. Wenn auch musikalisch eher dröhnend-rauschend und von der Stimmungslage eher bedrohlich und triste, so war das doch sehr interessant – wenn auch der zugrundelegende Mechanismus nicht wirklich klar wurde.
Der Abschluss-Techno-Track der deutschen DJane ADA, die von den tükischen VJs de:fect untermalt wurde, war dann zwar inhaltlich dünn und der Zusammenhang mit dem Ars-Motto war mehr behauptet als erlebbar – war aber doch partymäßig der beste Abschluss.
Siehe auch meinen zweiten Artikel über die Ars 2005.
4 Responses
[…] Electronica 2005: Erster Teil / Zweiter […]
[…] auch meinen ersten Artikel über die Ars […]
[…] Ars Electronica 2005: Hybrid – Living in Paradox (2.9.2005) […]
[…] Siehe auch meinen ersten Artikel über die Ars 2005. […]