2008 fragt das Ars Electronica Festival in Linz/Österreich nach dem Wert geistigen Eigentums und stellt damit eine Kernfrage unserer modernen Wissensgesellschaft: jene nach Informationsfreiheit und Urheberrechten und dem großen Geschäft und der Vision einer offenen Wissensgesellschaft, die ihre neue ökonomische Basis auf Kreativität und Innovation aufbauen will. Darüber hinaus geht es um brauchbare und tragfähige Regeln dieser neuen Realität. Von 4. bis 9. September 2008 lädt Ars Electronica KünstlerInnen, Netzwerk-NomadInnen, TheoretikerInnen, TechnologInnen und Rechtsgelehrte aus aller Welt nach Linz, deren Recherche in Form von Symposien, Ausstellungen, Performances und Interventionen über klassische Konferenz- und Kulturräume hinaus in die ganze Stadt getragen wird.
A New Cultural Economy…
Tagtäglich klicken wir uns im Internet durch ein unfassbares Angebot an Information. Texte, Bilder, Songs und Videos – getreu dem Motto „erlaubt ist was gefällt“ lassen wir bei unseren digitalen Spaziergängen diese und jene Daten mitgehen und speichern sie auf unserm Rechner ab. Daten, die irgendwann einmal Eigentum von irgendjemandem waren und es streng genommen immer noch sind. Online gestellt, kann alle Welt darauf zugreifen und tut es auch – ohne lang nach Datenschutz und Urheberrechten zu fragen. Während etablierte Lobbys gegen diesen Datenklau zu Felde ziehen, meint eine neue Generation genau darin das Geschäft der Zukunft zu erkennen…
Von Beginn an in den technischen Grundlagen des Internet verankert, bahnt sich heute eine neue Cultural Economy ihren Weg. Eine Ökonomie des Teilens, in der Information nicht länger per Gesetz ein- und abgesperrt wird, sondern ungehindert zirkuliert. Und längst sind es nicht mehr nur idealistische Verfechter einer offenen Wissensdemokratie, sondern eine auf Kreativität und Ideen aufbauende neue Ökonomie, die flexiblere Lösungen fordert. Trent Reznor, Prince und Radiohead sind nur die namhafte Speerspitze einer ganzen Generation von UserInnen, KünstlerInnen und Geschäftsleuten, die das Zeitalter von Copyright und geistigem Eigentum zu Grabe trägt. Unübersehbar also, dass der tradierte Eigentumsbegriff an der Realität unserer modernen Breitband-Kultur scheitert.
… wenn Eigentum an seine Grenzen stößt
Dennoch; auch nach dem milliardenschweren Debakel der Musikindustrie verweigern angestammte Lobbys bislang jedes konstruktive Mitgestalten dieser neuen Cultural Economy. Im Gegenteil, man leistet erbitterten Widerstand und hält kompromisslos fest, an patentrechtlichen Regeln, die (wie im Fall der Patentrechte) bisweilen auf das Venedig des 15. Jahrhundert zurückgehen.
Doch egal wie verzweifelt diese Old Generation auch versucht, nochmals all ihre Schutzmechanismen des vergangenen Jahrhunderts aufzufahren und bis ins Absurde verschärfte Gesetzgebungen gegen filesharing und downloads zu etablieren – die Neuordnung des Schutzes geistigen Eigentums ist längst zum gordischen Knoten unserer global vernetzen Wissensgesellschaft geworden.
Mehr unter www.aec.at/de/festival2008
Weitere Artikel von mir auf e-Thieme.de:
- Ars Electronica 2005: Erster Teil / Zweiter Teil
- Ars Electronica 2002
- Ars Electronica 2000
- Ars Electronica 1999
- Ars Electronica 1998
3 Responses
Lieber Horst,
okay, so schnell ist ein Missverständnis im Raum. Danke dass du deine Position geklärt hast.
Ich bin selbst Anhänger der Open-Source-Bewegung (siehe Wiki) und doch glaube ich, dass manches noch zu klären ist. Es mag ja sein, dass manche auf ihre Urheberrechte verzichten. Gerald Fiebig oder ich. Aber ich lebe nicht vom Schreiben. Und ich denke Gerald Fiebig auch nicht. Das ist wie mit Nebenerwerbslandwirtschaft. Wenn einem was Spaß macht und man davon nicht leben muss, kann man gern sein Copyright leften.
Natürlich hast du recht, dass im Umfeld von Linux oder anderen Open-Source-Software neue Industrien und Firmen entstanden sind. Aber auch im Umfeld von Wikipedia? Eher nein. Wahrscheinlich wird die Wikipedia den Brockhaus zerstören. Jedenfalls gehen die Umsätze zurück. Man muss also schon genau hinschauen, wo deine These stimmt.
Und das Beispiel mit dem Fachbuch „Futur of the Internet“, das trotz kostenlosem Download noch in der Printausgabe geordert wird: Auch noch wenn sich der Kindle oder Sonys Reader flächendeckend durchsetzt? Ich glaube nicht.
Nicht dass du mich missverstehst: Das alles ist nicht aufzuhalten, aber diese technologischen Revolutionen werden auch zu gigantischen Umwälzungen am Arbeitsmarkt und in unserer Gesellschaft führen, die nicht nur positive Folgen haben.
Nur darauf wollte ich hinweisen.
Wichtig ist zunächst: Ich bin auch kein Anhänger der „Keine Patente / Keine Urheberrechte“-Diskussion – dagegen aber der Open Source-Bewegung.
Das sind für mich zwei verschiedene Dinge. Das eine fordert die generelle Abschaffung von Rechten – das andere verzichtet bewusst auf Rechte um andere, die mit der Quelle arbeiten, zu verpflichten, das auch zu tun.
Wenn Programmierer, Künstler und Musiker auf ihr Urheberrecht verzichten (siehe zB ganz lokal der Augsburger Gerald Fiebig), dann ist das ein bewusster Akt. Ich habe ihn dazu auch mal interviewt und einen Artikel geschrieben: https://e-thieme.de/?p=62. Er geht dabei besonders auf http://www.creativecommons.org ein.
Es geht mir nicht darum, die Wertschöpfungskette zu zerschlagen – und womöglich Arbeitslosigkeit zu provozieren. Viele Beispiel zeigen, dass Open Source eben NICHT den Markt kaputt macht. Den Markt machen Raubkopierer kaputt. Linux ist ein tolles Beispiel für den Software-Markt. Für Lyrik hab ich vorhin Gerald Fiebig erwähnt. Jonathan Zittrains Fachbuch „Futur of the Internet“ ist zB kostenlos downloadbar ( http://futureoftheinternet.org/ ) – und trotzdem bestellen sich die Leute das Buch lieber in einer Printausgabe ( http://www.amazon.de/gp/product/1846140145?ie=UTF8&tag=worgefecdas-21&link_code=as3&camp=2514&creative=9386&creativeASIN=1846140145 )!
Lieber Horst,
auch wenn ich mich unbeliebt mache, will ich auch für die andere Seite eine Lanze brechen: für all die unterbezahlten Übersetzer, die unterbezahlten Autoren und die 80 % Frauen, die z. B. in deutschen Verlagen zu geringeren Löhnen wie in anderen Industrien arbeiten. Von was sollen sie leben? Lohnt es sich für diese Menschen noch zu arbeiten, wenn jeder ihre Werke einfach kopieren und verwerten kann, wie er will? Die einen haben die Arbeit – und die anderen das Vergnügen?
Ich möchte hier nur mal auf die Leistung von Verlagen hinweisen: http://was-verlage-leisten.de/, weil ich in einem solchen arbeite. Wer übernimmt diese Leistungen in der copyrightfreien Zone?
Sprich: Mir scheint das Konzept der Open-Source-Bewegung noch nicht schlüssig im Blick auf die Verdienstmöglichkeiten von Kreativ-Arbeitern zu sein. Und das würde ich mir wünschen, bevor man Freibier für alle fordert.