Freitag der 13. – eigentlich ein Horrordatum für jeglichen Künstler, aber nicht wirklich für die Augsburger Slammer Szene! Tübingen hatte am 13.10. Augsburg und Ulm in Tübingen zu einem Städte-Battle herausgefordert: jeweils drei Autoren aus den genannten Städten sollten in einem Poetry Slam gegeneinander antreten. Nach einer Herausforderung von Ulm in Ulm, war dies nun die Tübinger Antwort. Aus Augsburg neben den beiden Augsburgern Vertretern beim Nation Slam 2006 Tommy Tesfu und Martin Bursy: Horst Thieme. Obwohl ich normalerweise eher als Moderator auf der Bühne stehe, war durch die Absage anderer Augsburger Vertreter kurzfristig ich ins Rennen gegangen… Und der Unglückstag Freitag, der 13., wurde zu einem beachtlichen Erfolg für Augsburg mit einem verdienten zweiten Platz!
Hier nun die lange Version – und sie ist es wert, erzählt zu werden. Es war ein schöner Abend, ein schöner Slam. Und begann schön mit einer schönen Einrichtung in Tübingen – das sogenannte Schlachtlamm, ein Autor, der unabhängig vom Poetry Contest antritt um das Publikum auf den Abend vorzubereiten und es einzuschwören. An diesem Abend waren es sogar zwei, die für das Anheizen sorgen durften – einer zum Start (Phillip Scharrenberg) und einer nach vor dem heißen Finale (Falk Dietrich – zuletzt im März 2006 beim Augsburger Slam).
Schlachtlamm
Zuerst also Phillip Scharrenberg: Eine physikalische Tatsächlichkeit war sein Hauptthema, denn Butterbrote fallen immer auf die Butterseite und Katzen immer auf alle Viere. Das weiß jeder. Was passiert aber, wenn man einer Katze ein Butterbrot auf den Rücken bindet? Bleibt die Katze rotierend über der Erde schweben – oder fällt zugleich auf die butterne als auch auf die Fuß-Seite? Genüßlich reimte er die verschiedensten Möglichkeiten auf – und konnte doch keine Lösung finden. Köstlich!
Der Laden – der „Bierkeller“, die Studentenkneipe unter der Tübinger Uni-Mensa – war nun dankenswerterweise warm geslamt und wegen dem vollgedrängtem, niedrigen Saal auch kaum mehr zu überblicken. Dicke Rauchwolken amchten es schwer, überhaupt etwas zu sehen!
Vorrunde im studentischen Bierkeller
Erster Block. Wolfgang Dinkel als erster Vertreter Ulms startete mit mehreren Gedichten – darunter „Puzzlestück“, ein Gedicht, bei dem das Leben und die Beziehung gepuzzelt wird und versucht wird, Stück für Stück zusammenzuführen wird. „Doch was zur Einheit fehlt – bin ich!“ Auch er war übrigens in schon in Augsburg beim Slammen zu sehen!
Darauf antwortete Tommy Tesfu mit seinem Senegal-Text („Nennt mich Maximalpigmentierter!“ wurde auch Sieger beim Schülerslam 2006 während des Augsburger Brecht-Festivals), den die Augsburger Slammer Szene schon kennen dürfte. Letzter: Basti Nan, begabte Neuentdeckung aus Tübingen, mit einem äußerst lustigen Text über seinen dantesken Besuch in der Hölle und den dort zu sehenden Qualen („In meiner Hölle bin ich nicht Modern Talking – da bin ich Modern Talking (…), bin ich verliebt in Eva Herrmann (…), bin ich ein iPod – mit Volksmusik geladen!“).
Zweiter Block – und wieder jeweils ein Städtevertreter. Hier also Jens Weyheter aus Ulm. Zwei äußerst stark bearbeitete klassische Themen hatte er ausgesucht. Zunächst „Der Amboß“, dann „Faust“, der über seine altersbedingte Impotenz jammert und seinem Gretchen nachjammert. Leider stieß er mit seinen solide gereimten Gedichten nicht zum Publikum durch, dass zunehmend unruhig wurde.
Dann ereilte mich das Los und ich musste auf die Bühne. Ausgewählt hatte ich einen wirklich alten Text, der aber bislang des öfteren schon ganz gut rockte: „Manchmal“ (die Story, die wohl als „Nasenhaar-Geschichte“ den meisten etwas sagt, die mich schon auf der Bühne slammen sahen), in der sich der Protagonist nach und nach alle Haare aus seinem Gesichtserker zieht; tränenreich. Letzter im zweiten Block dann Kay Schmelzle, mein Poetry Slam-Master-Kollege aus Tübingen mit einem treffsicheren Text über die Unterschiede zwischen Männer und Frauen.
Im dritten Block musste wieder ein Ulmer zuerst auf die Bühne, und wieder war es ein Slam Master: Simon Engel, der den Bahnhof Ulm monatlich mit seinem Slam bespielt. Trotzig rief er in seinem Gedicht aus: „Wenn ich Kinder haben werde, werde ich sie mit Werthers Echten vollstopfen!“. Martin Bursy, genauso wie Tommy Tesfu in dem diesjährigen Schülerslams in Augsburg zum Spoken Word überzeugt worden, präsentierte „We’ve got the whole World in unserer Hand“ – dem Gedicht, mit dem er auch seinen ersten Auftritt beim Augsburger „Lauschangriff“ hatte. Nummer drei und letzter im literarischen Wettbewerb war dann Harry Kienzler (in dessen WG wir Augsburger dann auch dankenswerterweise nach einer langen und wirklich geilen Party übernachten durften und nächtlich noch alle Käse- Wurstvorräte vernichteten). Er moderiert mit Kay Schmelzle den Tübinger Slam! Sein Text „Ich hab Angst“ ließ auch die Augsburger und Ulmer Konkurrenten zittern – Klasse gemacht und ganz klar der Favorit des Abends.
Zwischenstand: erster Platz Tübingen mit 137 Punkten, zweiter Augsburg mit 85 und Ulm als dritter/letzter Platz mit 65 Punkten…
Vor dem Stechen, dass die Reihenfolge der Städtewertung noch ändern hätte können: Falk Dietrich mit seinem aktuellsten Text: „Falk – Wege zum Glück“. Das erste Kapitel „Liebe ist Logik“ übersprang er gleich und erzählte lieber den Part, in dem er versucht, seine Ex zu überzeugen, doch zurückzukommen. Leider kam er zu dem Schluss, das eine Trennung auch etwas Gutes an sich hat – wenigstens für seinen Nachfolger…
Finale
Zum Finale wurden jeweils diejenigen Autoren, die in der Vorrunde die meisten Punkte bekommen hatte, noch einmal vorgeladen: Wolfgang Dinkel, Kay Schmelzle und – ich. Ganz klar: Das war natürlich eine fette Überraschung für mich, mit einem zweiten Auftritt am Abend hätte ich nie gerechnet und war dementsprechend auch textlich nicht wirklich vorbereitet… Doch auch das war kein großes Problem. Das erste Ergebnis konnte nicht verbessert oder verschlechtert werden und so war das Endergebnis identisch mit dem Zwischenstand. Gratulation für die Gewinner aus Tübingen (65 Punkte Endstand)! Durchaus passables Ergebnis für Augsburg (6 Punkte) und Trost für den dritten Platz, Ulm mit -12 Punkten…
Das komplizierte Bewertungssystem (Publikumsjury mit fünf Juroren ohne Kappung der kleinsten und größten Wertung mit Addition aller Städtevertreter und dann im Finale Subtraktion der Endergebnisse bei den jeweiligen anderen Vertretern – hä?) war vielleicht nicht jedem verständlich. Aber Poetry Slam ist ja schließlich auch kein Mathe-Leistungskurs sondern einfach eine der ernstesten Spaßveranstaltungen, die ich kenne. Und so freuten wir uns alle über den Sieg der Tübinger, die eine starke Leistung gebracht hatten und tanzten nicht als Augsburger, Ulmer oder Tübinger, sondern gemeinsam als Freunde des Slams in eine noch lange Nacht…
2 Responses
[…] Na, denn viel Erfolg: Freitag der 13. – eigentlich ein Horrordatum für jeglichen Künstler, aber nicht wirklich für die Augsburger Slammer Szene! Tübingen hatte am 13.10. Augsburg und Ulm in Tübingen zu einem Städte-Battle herausgefordert: jeweils drei Autoren aus den genannten Städten sollten in einem Poetry Slam gegeneinander antreten. … […]
Hei Horst.
das ist eine ziemliche schöne und treffende Beschreibung von einer tatsächlich sehr schönen Veranstaltung. Freu mich schon auf das Rückspiel in Augsburg!
bine vom pequenita Slam