Ein äußerst kurzweiliger Abend fand gestern in der Kresslesmühle statt: Der Augsburger Poetry Slam mit dem Namen Lauschangriff startete in die neue Saison. In dem fast ausverkauften Haus fanden sich auch rund ein Dutzend Autorinnen und Autoren ein, die um den Titel “Slammer des Monats” raufen wollten. Eine Besonderheit des Abends: Die Glücksfee war hochoffiziell die Augsburger Kulturreferentin Eva Leipprand. Und so konnte wohl jeder Slammer, der gelost wurde von sich behaupten, persönlich von der Referentin auserkoren worden zu sein, den Saisonstart zu begleiten!
Erster Block
So gleich als erster Henry Schwarz, der mindestens ein Jahr schon nicht mehr auf der Bühne zu sehen war. Er hatte die lange Slam-Abstinenz genutzt um neue Lyrik zu schreiben, die nachdenklich-traurig oder auch provokativ aber immer fein beobachtend ist. So zum Beispiel “Pow Wow Fensterbank”, in der man mit dem Autor zum Voyeur wird.
“Pow Wow” – das war auch ein Thema, das sich der zweite Autor des Abends gewählt hatte. Norbert Johann Sebastian Mayr – vielen auch als der “Großstadtindianer” bekannt – las erneut ein kurzes Kapitel aus seinem Romanprojekt “Betula und Soldanella auf der Suche nach dem größten Baum der Welt” vor. In diesem beklagen sich die Indianer bei einem großen Pow Wow über die Umweltverschmutzung und die Rache, die die Natur nimmt.
Nummer drei: Innozenzia (aka Irmi). Auch sie hatte lange der Slambühne widerstanden – und als sie dann endlich sich doch mal wieder einschrieb, tobte das Publikum wie eh und je. Eigentlich muss man ja bei Innozenzias Slamauftritten immer sagen, das es sich vielmehr um den Versuch einer Lesung handelt – ja, vielleicht auch nur um die Ankündigung eines Versuchs, so oft unterbricht sie sich selber, um köstliche Anekdoten von sich zu erzählen (zugekifft auf einer Dichterlesung vor sich hin gackernd, weil der Autor so lustig war – um später dann festzustellen, das der Autor tatsächlich toternst und kein bißchen satirisch war). Als sie endlich dran kam, wurde aus der angekündigten erotischen Erzählung ein sehr schneller Quickie, der die Protagonisten wohl weniger begeisterte wie die laut klatschenden Zuschauer.
Mustafa beendete den ersten Block mit einem Märchen über “Die gute Hexe – Oder: Wie sie Ärger mit dem Teufel bekam”. Ein emeritisch lebender Mönch trifft auf einer Waldlichtung eine alte Hexe, die aber zu einer guten vertrauten wird und ihm die Geschichte ihres Lebens erzählt.
Zweiter Block
Nachdem in der ersten Runde Innozenzia in das Finale geklatscht wurde – und sich jeder noch ein Bier in der Pause geholt hatte – startete der zweite Block, der ähnlich rasant und besonders amüsant zündete. Hartmut Bottke machte den ersten Autor und las seine humorige Erzählung “Lob des Todes”. Klasse! Gleich als nächster Jens Frommknecht! Nach drei kurzen Gedichten (darunter “Wir” und “Gegentango”) las er seinen “Brief an die Gesundheitskasse” vor. Ausführlich und wirklich drollig bedankte er sich um die wiederholten Aufmerksamkeiten und versprach, sobald sich seine Einkommenssituation (oder vielleicht in Jens Worten: “Wohlstand im landläufigen Sinne”) geändert habe, werde er sich sofort melden…
Nummer drei: Tilman Döring kam weit angereist aus Darmstadt – der gerade 17 Jahre gewordene Poet, Freestyler und Rapper hatte sich diesmal an etwas für ihn ganz Neues gewagt: Eine Prosaerzählung. Ein wohlgeordnetes Schülerleben, begeistert und versunken in der Schönheit der Mathematik zerbricht an dem harten Wort “Loser”, das er auf der Rückenlehne seines Sitzplatzes in der ersten Reihe in seinem Klassenzimmer entdeckt. Sein Weltbild gerät ins Wanken. Seine schulischen Leistungen brechen mit seinem Selbstwertgefühl zusammen – doch eine Hoffnung bleibt: die Literatur und der Poetry Slam!
Letzter am Abend war Albrecht Rau. Seine oft als klamaukig missverstandene, aber eigentlich böse und ätzende Sozialkritik (übrigens auch in seinem Buch “Hirnschrittmacher” nachzulesen) zündete auch diesesmal. Der “Sonnentag” endet unter einer unbeheizten Brücke, das Spiegelbild wird nur noch im Klosett gefunden (Gedicht “Klowasser/Spiegelbild”) und mit anderen Dingen heruntergespült und eigentlich ist sowieso das Zeichen der Zeit der “Mittelfinger” (so der Titel seines letzten Gedichts): “Der Mittelfinger nur (…) und weit und breit keine helfende Hand”. Begeistert klatschte das Publikum auch ihn in das Finale.
Finale
Mit Innozenzia und Albrecht Rau gab es natürlich ein furiosen – um nicht zu sagen: irren – Abschluss. Innozenzia stieg noch einmal in ihre zuvor vorgelesene Geschichte ein und schilderte einen Fellatio (”Wenn das nichts hilft, dann weiß ich auch nicht mehr”) und Albrecht Rau brachte seinen Klassiker: “Dichtung aber wie” und gewann nach einem heißen Stechen endlich den langersehnten Titel! Schon oft war er bis ins Finale gekommen und jetzt ist der Traum wahr geworden! Gratulation!
Der nächste Augsburger Poetry Slam Lauschangriff findet am Freitag, den 6.10. wieder in der Kresslesmühle statt. Und das wird auf jeden Fall ein besonderer Abend, da zu diesem Termin der Augsburger Slam 8 Jahre alt wird – und es auch die 88. Veranstaltung sein wird. Sowohl die Beachrockerz als auch einige Gastpoeten haben sich angekündigt – und nach dem Slam gibt es wieder eine der berüchtigten Helsinki-Bar Parties mit DJs, Videoinstallationen und und und…
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