Augsburg ist anders. So hat Augsburg zum Beispiel die meisten Feiertage in Deutschland – dank dem 8. August, an dem seit 1950 das Augsburger Hohe Friedensfest begangen wird. Ausgehend aus diesem besonderen Feiertag, der der Einigung der katholischen und protestantischen Streitern vor 450 Jahren gedenkt, und der letztjährigen Bewerbung Augsburgs zur Kulturhauptstadt 2010 wurde das diesjährige pax2005-Festival geboren. Leiter dieses Festes: der Intendant der glücklosen Kulturhauptstadt-Bewerbung Thomas Höft. Zwischen Aschermittwoch, dem 9. Februar, und dem Reformationstag am 31. Oktober 2005 werden sich über 150 Veranstaltungen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln mit dem Thema Frieden beschäftigen. Jetzt wird sogar eine jährliche Ausrichtung des Festivals diskutiert.
Nur zum Thema Frieden? Nein. Wie bei großen Veranstaltungsketten in Ausgburg üblich, wird alles, was sich am Rande mit dem Hauptthema zu tun hat, in ein großes Konzept mit hineingebastelt und vermixt. So war das bisher bei mehreren Literatur-Festivals, bei dem man alles mögliche unter dem Überthema der Reihe – Brecht, Mann oder anderen Autoren (Frauen kamen in der Reihe noch nicht vor) – subsumierte, Hauptsache es hatte was mit Kunst, Politik oder Gesellschaft zu tun. Denn um diese Themen hatte sich ja z. B. der gute Brecht auch gekümmert. Und oft kamen auch einfach andere Autoren, um aus ihren eigenen Werken zu lesen. Denn auch Brecht hatte ja bekanntlicherweise manchmal etwas geschrieben und vorgelesen…
Aufgemerkt: max05 – pax2005
Typische Ironie von mir? Nein – selbst das Maximilian-Straßen-Fest wird dieses Jahr max05 heißen. Abgesehen von der geistreichen Namensgebung: das Straßenfest, das letztes Jahr noch eine nievaulose Ballermann-Party war, soll dieses Jahr sogar ein Konzept besitzen, dass die Kirchen miteinbindet. Wegen dem Friedensjahr pax2005.
So nimmt es auch nicht Wunder, dass im Veranstaltungskalender zum pax2005-Fest auch als Highlight die Picasso-Ausstellung in Augsburg aufgeführt ist. Schließlich hatte Picasso ja auch das berühmte Guernica-Bild gemalt. Das wird zwar nicht ausgestellt, aber dafür wenigstens am Rande der Ausstellung eine Multimedia-Show zu Guernica. Oder im aktuellen Programm finden sich Jazz-Konzerte, eine Siegfried-Inszenierung der FOS/BOS Augsburg. Ja sogar der „Wer hat das schönste Schaufenster“-Wettbewerb des Einzelhändler-Pressure Group City Initiative Augsburg (CIA) hat dort seine Aufnahme gefunden! Das selbstverständlich Augsburgs Drag-Queen Chris Crazy sein neues Programm unter dem pax2005-Logo bewirbt wundert dann schoin keinen mehr…
Bitte nicht falsch verstehen: Auch wirklich tolle und zum Thema passende Einzelveranstaltungen umfasst das Programm. Und gar nicht wenige. Doch die Vermengung von an den Haaren herbeigezogenen und unter das pax2005-Logo geprügelten (und noch einmal: Schaufenster-Wettbewerb!!!) mit sinnvollen Veranstaltungen ist fadenscheinig und mangelhaft. Im besten Fall ist es fehlleitende Werbung. Im schlimmsten Fall zieht es gute Einzelveranstaltungen zum Thema Frieden in eine gewisse Beliebigkeit. Hier ist dem Intendanten Thomas Höft tatsächlich ein Mangel an Qualität in seiner Arbeit vorzuwerfen: Es fehlt der rote Faden und man meint, es wäre ihm und seinem Team nicht um ein durchgestaltetes Konzept, sondern nur um das Erreichen von 150 Einzelveranstaltugnen unter einem Sammellogo gegangen. Und das wäre schade.
Pawlowsche Hunde
Nun wird diskutiert, das Friedensfest in Augsburg (das Fest, nicht den Feiertag – den gibt es ja schon länger und eine Abschaffung wird nicht diskutiert) zu einer regelmäßigen Institution zu machen. Nun – wäre das eine erfolgreiche Veranstaltung, die überregional auf Widerhall stoßen würde: gerne – und mehr davon! Doch die pax2005-Reihe trifft überregional auf keine Reaktion und verhallt dort konplett. Werbeeffekte für Augsburg? Gleich null! Und innerhalb Augsburgs? Interessiert das Thema “Frieden” wenigstens dort jemanden?
Die Augsburger Allgemeine berichtet heute über die Reaktionen von Augsburgern. Dass diese Augsburger zu den “Üblichen Verdächtigen” gehört (Ullrich Peters vom Stadttheater, Hansi Ruile von der Kresslesmühle, Kurt Idrizovic vom Buchladen am Obstmarkt, Sebastian Seidel vom S’ensemble-Theater, Götz Beck von der Regio Augsburg und Peter Grab von der CIA) ist ja noch keine eigene Erwähnung wert – aber langweilig wie eh und je. Anscheinend interessiert außer den Insidern das Thema schon keinen mehr.
Die Antworten der “Üblichen Verdächtigen” hätte jeder Augsburg-Kenner schon im Voraus gewusst. Im Zweifel hätte die AZ diese Statements drucken können, ohne auch nur ein Wort mit den Befragten selber zu wechseln, so typisch reagierte jeder: Hansi Ruile findet Frieden wichtig, naja klar – keiner zeichnete sich mit Aktionen innerhalb der Kresslesmühle und FILL e.V. so aus, wie er. Ulrich Peters ist immer noch beleidigt, weil er kein neugebautes Schauspielhaus bekommen hat und findet deswegen alles schlecht und Kulturreferentin Eva Leipprand erst Recht. Regio-Chef Götz Beck findet die Vermarktbarkeit für den Tourismus wichtig, kein Wunder, er muss Hotelbetten füllen. Die “APO der Kultur” Kurt Idrizovic und Franz Fischer meinen, das Geld müsste anders verteilt werden.
Nur einer hat mal wieder alle überrascht: Peter Grab von der CIA, dem noch nie eine Idee zu blöde war um sie lautstark zu vertreten (man denke an Stöpsel-Kunst etc.pp.), schwafelt etwas von Friedenskonferenzen die die UN hier abhalten könnte, die von CNN live übertragen werden würden. Kein Witz – das steht wirklich so in der Zeitung und ich glaube wirklich, dass der Typ das auch ernst meint. Die AZ zitiert ihn, dass es um „eine Organisation wie die UN nach Augsburg zu locken, mehrere Fünf-Sterne-Hotels“ notwendig seien. Wenn da mal nicht jemand wirklich vorauschauend denkt!
Was tun?
Frieden als Thema ist wichtig. Klar. Aber um einen überregional beachteten Event aufzubauen braucht es mehr. Mehr ersichtbares Konzept. Mehr Bedeutung. Und nicht mehr internes Schulterklopfen, was wir alles mal wieder Tolles in Augsburg auf die Beine stellen können.
Meine Meinung zu dieser Diskussion pax2005 zu wiederholen, ja als wichtige Veranstaltungsreihe zu etablieren? Lasst mich damit in Frieden!
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