Man denkt ja, dass man Jules Verne aus seiner Kindheit kennt: sofort fallen einem die bekannten Romane „Reise um den Mond“, „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ und „zwanzigtausend Meilen unter Meer ein“. Jules Verne wurde deswegen von mir zur Kinder- oder Jugendliteratur abgetan und seit Jahren keines Blickes mehr gewürdigt.
Nun habe ich letzte Woche Jules Vernes Roman „Reise um die Erde in 80 Tagen“ gelesen, der in der Büchergilde in einer wunderschön gestalteten Ausgabe, mit 23 zum Teil zweifarbigen Scherenschnitten von Sarah Schiffer, herauskam. Überrascht musste ich feststellen, dass Verne keineswegs ein Jugendbuchautor ist. Und sogar dass er sich recht gut liest. Und dass das, was man kennt, meistens tatsächlich für jugendliche Leser umgearbeitete Texte und Comix oder sogar meist nur Filme sind. Es ist doch komisch, man denkt, man kennt das Original – und hat doch nur diese low-fat, no-carb und sugar-free Versionen von Verne gekostet. Interessiert schaute ich, welche anderen Bücher lieferbar sind und bestellte mir sofort gleich vier weitere und begann jetzt mit „Von der Erde zum Mond“.
Von der Erde zum Mond!
Was für ein unglaublicher Beginn des Romans im „Gun Club“, dem Verein der Artellerie-Erfinder und –Freunde! Satirisch (und noch einmal: das ist ganz und gar nicht ein Jugendbuch!) wird der Kreis der Kanonen-Fans gezeichnet, die sich im Laufe des amerikanischen Sezessionskriegs reihenweise Beine, Arme und Schädeldecken wegsprengten. So kommen auf sechs Personen im Gun Club kommen insgesamt zwei Beine und ein Arm…
Nun geht es aber den Mitgliedern des „Gun Club“ schlecht: Es gibt keine Kriege mehr! Die rettende Idee hat der Präsident des Clubs, Impey Barbicane: Er will eine Kanone und ein Geschoss entwickeln, um es auf den Mond zu schießen! Was gibt es für eine zynischere Betrachtung auf die Fortschrittsgläubigkeit…
Auch wenn es heute fast schon Mut braucht, den als verstaubt geltenden Jules Verne auszupacken und sich fortan rechtfertigen zu müssen, den als Jugendbuchautor verschrieenen Autor gut zu finden: Leute – lest mehr Jules Verne! Es lohnt sich.
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