Wie schon berichtet startete gestern das lab.30, ein Medienfestival im Kunsthaus “abraxas” im Westen Augsburgs. Das kleine Festival mausert sich und die Ausstellung wächst und wird bedeutender – das war gestern ganz deutlich spürbar. Leider war trotz herbstlichem (oder eventuell frühwinterlichem) Kälteeinbruch das Publikum nicht ganz so zahlreich erschienen, wie in den letzten Jahren. Bestimmt wird sich das aber über das Wochenende, also heute und morgen noch ändern.
Die Ausstellungsobjekte
In zwei durch Stoff abgetrennten Räumen hängen von der Decke weiße Stoffbinden, in denen sich kleine Kontaktlautsprecher befinden. In Lynn Pook (Berlin/Paris) Installation “À Fleur de Peau – Audio-taktile Installation für einen Körper” wird der Besucher wird zu einer individuellen Erfahrung der haptischen Komponente von Klangübertragung eingeladen – der dann nicht nur Musik hört, sondern erfühlen kann. Die medizinische Komponente macht es auch spannend für den unbeteiligten Zuseher, der Frankenstein/Mumien-artig verpackte Menschen in die Klänge lauchen/fühlen sehen kann…
Vor dem Theaterraum des abraxas kann man die äußerst ästhetischen “Platinenobjekte” von Ina Keckeis (Berlin) sehen – eine “Hardwarehommage”, so die Künstlerin. Die kunstvoll geätzten Elelktronikplatinen geben ganz eigene Klänge von sich – und werfen verschiedene Dichotomien auf: das Miteinander und das Gegeneinander von Elektronik und Radierung, von Klang und Sensorik, von Technik und Kunst. In Miniaturausgabe werden Objekte, Leiterbahnen und Netzwerke auf den Platinen sichtbar und assoziieren kontrastreiche, geordnete Lebensformen in einer Stadt auf engstem Raum. Jedes dieser Objekte spielt interaktiv, durch Bewegung ausgelöst, Geräusche und Alltagsklänge ab und tritt so in einen kompositorischen Loop.
Musik / Klang / Krach
Florian Heckers Interesse im Bereich der aktuellen Musik gilt speziell der Computermusik. Seit bei Konzerten Klang auf Laptops produziert wird, hat er sich auf dieses Medium spezialisiert. Er ist Teil einer jungen österreichischen Musikszene und inzwischen bei Auftritten auf dem gesamten Globus zu hören und zu sehen. Zum Beginn seines “Elektronischem 6-Kanal-Konzert” wurden erst einmal Ohropax-Stöpsel ausgeteilt – anscheinend hatte man einiges vor. Eingelöst wurde dann das Lautstärkeversprechen nicht wirklich (auch wenn es ohrenbetäubend zuging). Wie im Programmheft nachzulesen ist “beinhalten seine jüngsten Produktionen psycho-akustische Effekte, die (…) die räumliche Wahrnehmung des Zuhörers gleichermaßen desorientieren”. Aha. Desorientiert war man – gründlich.
Leider wird in diesem extremen musikalischen / klanglichen Bereich eine Schwachstelle des Festivals sichtbar – es fehlt die Möglichkeit einer intellektuelle Auseinandersetzung mit dieser Klangwelt. Sei es durch ein Symposium, durch Workshops oder durch eine Konferenz: Ich denke, eine gewisse Heranführung an diese doch teilweise schwerverständliche Musik (und: ist es überhaupt eine, soll man sie / darf man sie so nennen und wenn nicht, wie dann?) würde diese Bewegung und Kunstrichtung auf breitere Basis stellen und würde so nicht nur für wenige Eingeweihte / Auserwählte (unterstellt, es gäbe diese) attraktiv sein.
Zwei Tage noch vor uns: Man kann gespannt sein.
Siehe auch meine anderen Artikel zu ähnlichen Themen:
- Das Augsburger Kunstlabor lab.30 wird 5 (1.11.2006)
- Computerspiele als eine eigene Kunstgattung (12.12.2005)
- lab.30 – Augsburgs kleine Ars Electronica (11.6.2005)
- Ars Electronica: “The medium ist the message” – oder etwa doch nicht? (4.9.2005)
- Ars Electronica 2005: Hybrid – Living in Paradox (2.9.2005)
- Ars Electronica 2002: Unplugged (1.9.2002)
- NEXT SEX – Sex im Zeitalter seiner reproduktionstechnischen Überflüssigkeit – Ars Electronica 2000 (1.9.2000)
- Kunst im Zeichen der Doppelhelix – 20 Jahre Ars Electronica mit dem Schwerpunkt LifeScience (1.10.1999)
- Where do you want to fight today? Die Ars Electronica 1998 in Linz (1.10.1998)
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